JORIS J

 

Ochrana Birth

 

XS-004

 

 

TOSOM XS-004

 

3" CDR, 3 TRACKS, 21 MINUTES

LIMITED AND NUMBERED EDITION OF 150 COPIES

MINI DVD BOX WITH 2 INLAYS.

 

PRICE:  6,00 €

 

Joris J is a young and very interesting project from Berlin.
After a self released CDR in 2006 and a
split with N.Strahl.N in 2007, "Ochrana Birth" is
his third release. For the TOSOM XS-Serie he contributes 3 tracks,
a blend of Harsh Glitch, Drone and Koncrete Musik.

Die Individuen verharren in generalisierte Passivität und zittern in ihren Rollen
wie Kaninchen in einem Bau. Aber im Unterschied zum Kaninchenbau bieten ihre Rollen
nurmehr einen trügerischen Schutz.Die Formen verfaulen, jede Rolle wird angenommen.
Man kann sich über die nahe Zukunft unschwer eine Gesellschaft vorstellen, in der von
selbstvertrauen erfüllte, glückliche Menschen als willige Diener einer technologischen
Infrastruktur fungieren, über die sie keinerlei Kontrolle haben und deren Zwecke ihnen selbst
völlig gleichgültig sind. Die Technik beginnt da wo der Mensch sein Veto gegen den
verschlossenen Automatismus der Maschinen einlegt und selber in ihre Welt einspringt.
Soll heißen anstatt sich von Technik objektivieren zu lassen, muss man die
Maschinen subjektivieren. Die Erlernung vorschriftsmäßigen Verhaltens mit und
vor Maschinen ist dabei zu umgehen.

 

Tracks
01 - Kordial Korrupt Luzid (mp3)
02 - Versorgungsbehörden Meldet Kriegsgewinnler
03 - Häretisch Feixend Kabeln (mp3)


Click on mp3 to hear music samples

 

Reviews *** Reviews


Vital Weekly 613
review by Frans de Waard
Tosom also brings us one Joris J from Berlin. So far he has released privately a CDR, a split release with N.Strahl.N. and now 'Ochrana Birth'. His music is a mixture of various positions in the world of experimental music. Partly he takes his inspiration from musique concrete, party microsound and partly noise, which three way division is clearly shown in the three tracks on this release. The first is centered around the treatment of guitar sounds; a treatment mostly done inside the computer and works in a linear fashion. The second piece 'Versorgungsbehörden Meldet Kriegsgewinnler' is a micro-drone piece of shifting layers of sounds, whilst the final piece Joris J (an alias fro Martin Schilling) moves into the Merzbow land of noise. It's the weakest piece of the three. The other two are quite nice and in my humble opinion should be roads to explore.

Satt.Org
TDer Berliner Noise-Shooting-Star Joris J veröffentlichte Ende 2007 eine Split-CD mit N.Stahle.N. Nur kurze Zeit später legt der Mitzwanziger mit „Ochrana Birth“ eine ebenso hochwertige Scheibe nach. Als wäre er mit dem Komponieren nicht ausgelastet genug, zeichnet Joris J auch für die Covergestaltung verantwortlich. Dem besonderen Format einer Mini-DVD beigelegt sind Bilder auf Fotopapier mit verrätselten Botschaften wie „kordial korrupt luzid“ oder „Versorgungsbehörden meldet Kriegsgewinnler“. Auch die drei Songs mit einer Gesamtspiellänge von 20 Minuten nehmen den Hörer auf eine faszinierende Reise in mehrdimensionale Klangwelten mit. Vollkommen rhythmusfrei zaubert Joris J Klänge, die zwischen bizarrer Fremdartigkeit und dem gekonnten Umschmeicheln des Trommelfells liegen.

Kulturterrorismus
In einer Metropole wie unserer Hauptstadt Berlin pulsiert das Leben. Dieser Zustand schafft auch Nischen für den künstlerischen Untergrund, der Protagonisten wie Joris J (mit bürgerlichem Namen Martin Schilling) einen guten Nährboden für extravagante Publikationen offeriert. Nach dem unbetitelten Debüt (2006) und einem Split mit N.Strahl.N (2007) erblickte Anfang des Jahres 2008 eine Mini CD-R (in einer Mini DVD-Hülle) mit dem Titel "Ochrana Birth" das Licht der Welt auf dem Label Tosom, wo in regelmäßigen Abständen schöne (!!!) Extremklangkunst erscheint. Im Gegensatz zum populären Mainstream stehen hinter den Veröffentlichungen im wahren und echten Untergrund noch echte gedankliche Leistungen bzw. Inhalte, die in den meisten Fällen die Gesellschaft bzw. das System an den Pranger stellen. Der Name "Ochrana Birth" des Release verrät Personen, die sich in der Geschichte auskennen, in welche Richtung Joris J seine Hörerschaft treiben bzw. leiten möchte. Ochrana war der inoffizielle Oberbegriff für die verschiedenen Geheimdienste und die Geheimpolizei in Russland unter der Herrschaft der Zaren. Offizielle hieß die Sicherheitsabteilung "Ochrannoje Otdelenie", welche 1881 von Zar Alexander III gegründet wurde und 1917 nach der Oktoberrevolution Auflösung fand. Die Ochrana stand für Brutalität, Willkür und Unterdrückung gegenüber den Individuen bzw. Menschen im Zarenreich. Jetzt bitte einen Sprung in die moderne Welt machen und folgendes verfasste Statement, welches Sie auf der Seite von Tosom im Original finden durchlesen:
Die Individuen verharren in generalisierte Passivität und zittern in ihren Rollen wie Kaninchen in einem Bau. Aber im Unterschied zum Kaninchenbau bieten ihre Rollen nurmehr einen trügerischen Schutz. Die Formen verfaulen, jede Rolle wird angenommen. Man kann sich über die nahe Zukunft unschwer eine Gesellschaft vorstellen, in der von selbstvertrauen erfüllte, glückliche Menschen als willige Diener einer technologischen Infrastruktur fungieren, über die sie keinerlei Kontrolle haben und deren Zwecke ihnen selbst völlig gleichgültig sind. Die Technik beginnt da wo der Mensch sein Veto gegen den verschlossenen Automatismus der Maschinen einlegt und selber in ihre Welt einspringt. Soll heißen anstatt sich von Technik objektivieren zu lassen, muss man die Maschinen subjektivieren. Die Erlernung vorschriftsmäßigen Verhaltens mit und vor Maschinen ist dabei zu umgehen.
Sie sehen die Parallelen zwischen der Ochrana und der Technik sind im übertragenen Sinne evident. Am Anfang waren die Ochrana wie die Technik harmlos und nützlich, aber mit zunehmendem Alter gerieten sie aus den Fugen und versklavten die Lebewesen. Heißt im Klartext wehren Sie sich gegen eine Versklavung von außen. Wer will schon gerne eine Dienerin bzw. ein Diener sein, oder jemand freiwillig bereit dazu? Die "musikalische" Vertonung bzw. Umsetzung der Thematik nahm Joris J in einem kulturterroristischen Gewand vor, welches fern ab von Rhythmik und Anbiederung an den Mainstream daherkommt. Er produzierte Sound- bzw. Krachcollagen, die irgendwo zwischen Glitch, Noise und Drones schweben. Die drei zu vernehmenden Tondokumente auf "Ochrana Birth" sprechen bestimmt keine Mehrheiten an, dürfte aber Personen begeistern, die auf abwechslungsreiche Tonkompositionen abfahren, die ein Gefühl von Freiheit bzw. Freigeistigkeit vermitteln. Im Besonderen überzeugt das Stück 'Versorgungsbehörden meldet Kriegsgewinnler' (auch mein persönlicher Anspieltipp), welches recht schleichend die Hörerin bzw. den Hörer erfasst. Sanfter Drone Noise müsste die treffende Bezeichnung für diesen Track sein, der eine gewisse Eindringlichkeit aufweißt.
Joris J publiziert mit "Ochrana Birth" ein inhaltliches Feuerwerk, welches klar vor Augen führt, dass im Untergrund ein wesentlich höheres Niveau existiert, als in der modernen Musiklandschaft. Die Tonkunst bzw. der Krach (je nach Ansicht bitte einsetzen – Danke!) auf "Ochrana Birth" passt hervorragend zum Gesamtkontext und dürfte Fetischisten des Glitch, Noise und Drone ansprechen. Die Auflage von Joris J aktuellem Werk "Ochrana Birth" beträgt 150 handnummerierte Exemplare, wovon bestimmt noch ein paar über Tosom erhältlich sind.

Der Medienkonverter
Individuell injizierte Reflexion. Nicht 'macht kaputt, was Euch kaputt macht', sondern 'verlass den Kreislauf der Kontrolle. Erlange die Kontrolle über die Technologie bzw. die Maschinen zurück". Joris J weist mit seiner Dominanz über die Maschinen einen Weg aus dem seiner Meinung nach stattfindenden Kontrollverlust. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum auf seinem neuen Werk "Ochrana Birth" jeglicher Rhythmus fehlt. Bedeutet Rhythmus nicht auch Kontrolle? Aber wer kontrolliert wen? Der Künstler den Song? Der Song den Hörer? Oder aber beides, womit der Musiker zum teilweisen Diktator des Hörers wird, sofern dieser es zulässt? Mit seinem Noise-Projekt, das gar nicht durchweg noisig ist, setzt Martin Schilling immer wieder neue und extreme Ideen um. Hier geht es nicht darum, zu gefallen, sondern darum, nachzudenken. So etwas wie eine sanfte Ohrfeige mit Bildungscharakter. Oder bloßer Krach für diejenigen, die mit dieser Musik nichts anfangen können. Da ihm die Rockmusik, von der er ursprünglich kommt, zu steif und strukturiert war, wechselte er zum Industrial und tendiert auch dort noch zum Extrem. Keinerlei Schema folgend, blubbert und piepst es, ein paar Gitarrenriffs sind zu hören, Drones auch, ebenso wie Melodiefetzen. Aussichtslos, das beschreiben zu wollen. Viel interessanter ist aber die Frage, ob Joris J Interesse für sein Anliegen wecken kann. Steht der Hörer auf, nimmt sein Leben selbst in die Hand und wehrt sich gegen die Kontrolle? Natürlich reicht dafür der Konsum von "Ochrana Birth" nicht aus, aber die auf 150 Exemplare limitierte CDR macht neugierig. Zu speziell, um immer zu gefallen, aber abgefahren genug, um Eindruck zu schinden.

Club-Debil
Eine kleine CD von Joris J, gefüllt mit über 21 Minuten Tongut. Feine Sache, denn der Berliner ist auf dem besten Wege. Die drei Stücke auf "Ochrana Birth" zeigen sich handwerklich einwandfrei und höchst abwechslungsreich: abstraktes Elektronikgefrickel trifft auf Drone Ambient und kreischenden Noise. Einen typischen Joris J-Stil scheint es nicht zu geben, dafür ist der Musiker ein echter Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Bleibt nur abzuwarten, was als Nächstes kommt. Die Bezeichnung der Titel allein rechtfertigt schon den Kauf der CD.

Ox-Fanzine
JORIS J aus Berlin und ebenfalls ein "Einzelkämpfer-Projekt" geht auf seiner 3" wesentlich differenzierter zu Werke. "Ochrana Birth" (Tosom XS-004/www.tosom.de) nutzt die verschiedenen Spielwiesen der elektronischen, experimentiellen Musik geschickt für sich aus und zieht den geneigten Hörer immer tiefer in seinen Klangkosmos. Ambient, Drones und Noise- Attacken werden wohlportioniert und strikt voneinander getrennt präsentiert. Ein individuelles Klangbild ist zwar noch nicht vorhanden, aber dieses Suche läßt hoffen, dass sich JORIS J prächtig entwickeln wird.

Ikonen
Ochrana war im spätzaristischen Rußland eine inoffizielle Bezeichnung für die Geheimpolizei. Vermutlich hat die Ochrana die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion verfasst und verbreitet. Trotz ihrer offiziellen Auflösung durch die neuen, kommunistischen Machthaber lebt ihr bereits damals recht sinistrer Ruf bis heute in verschiedensten Verschwörungstheorien weiter, mit und ohne Illuminaten. Joris J aus Berlin nutzt dieses Sujet, um mit der medialen und geistigen Gleichschaltung unserer Gesellschaft abzurechnen. Was nun wie die Einleitung zu so mancher (über-)ambitionierten CD aus dem Post-Industrialbereich klingt, wird von Herrn J. aber mit viel Sarkasmus und Wahnsinn vermischt. Auf der 3“ CD befinden sich drei Stücke zwischen drei und elf Minuten, die Titel wirken auf den ersten Blick sehr abgefahren und wenig aussagekräftig. Es bedarf eines genaueren Hinhörens und und auch eines bisschen Denkarbeit, um zu erkennen , dass der Wahnsinn unserer Gesellschaft vermutlich kaum treffender zu formulieren ist. „Kordial Korrupt Luzid“, „Versorgungsbehörden meldet Kriegsgewinnler“ und „Häretisch feixend kabeln“ wirken nach dem Anhören der dazu gehörigen Musik fast klar und greifbar. Musikalisch zeigt sich Joris J. wesentlich defekter und bisweilen auch brutaler, als zum Beispiel auf der noch etwas unausgegorenen „Split“ mit N.Strahl.N. Es kommen Assoziationen zu frühen „Aalfang mit Pferdekopf“ Alben auf, allerdings klingt dieser Tonträger ungleich kälter und schärfer. Im Gegensatz zu „Aalfang“ handelt es sich auch nicht um eine surreale Reise in das Unterbewusste, sondern um eine Abrechnung mit einer pathologischen Gesellschaftsstruktur. So wird der Hörer immer wieder mit ruhigen Passagen geködert, um dann wieder das auditive Äquivalent zu einem Blizzard im Gehörgang losbrechen zu lassen. Im Vergleich zur letzten Veröffentlichung wirkt diese CD auch homogen und wird ihrem eigenen Anspruch gerecht. Auch die Verpackung wirkt ansprechend und tröstet darüber hinweg, dass es sich nur um eine CDR handelt. Eine überdurchschnittlich gute Veröffentlichung, die Lust auf mehr macht. (Daniel Novak)